… unsere Versorgungs- und Energiesicherheit, unser Handwerk, unsere Arbeitsplätze, unsere Industrie
Der Bundespräsident, die Wirtschaftsweisen und der Spiegel möchten höhere Steuern für die Wohlhabenden. Die ehemalige Speerspitze der Demokratie schreibt: „In Deutschland lebten demnach 2,95 Millionen Dollar-Millionäre, über 633.000 mehr als im Jahr zuvor. Das sind Menschen, die mehr als eine Million Dollar Vermögen in Bargeld, Aktien und Immobilien besitzen.“ Der Bundespräsident sagt in einer Rede am 28. Oktober: „Und schließlich trifft diese Krise auch auf viele wohlhabende, reiche Menschen in unserem Land. Menschen, die viel haben und mehr tragen können. Sie müssen jetzt helfen, um die immensen Kosten der notwendigen Entlastungen überhaupt stemmen zu können. Sie müssen jetzt beitragen, um neue Ungerechtigkeiten zu vermeiden.“
Das ist die unverblümte Aufforderung zu Steuererhöhungen, für Leute, die heute schon sehr viele Steuern bezahlen, weil sie sehr oft auch sehr viel mehr arbeiten als nur 40 Stunden. Weil sie damit etwas aufbauen möchten: Arbeitsplätze, Sicherheit, Altersversorgung, Ausbildung für Kinder, eine eigene Immobilie. Wer viel Geld ansparen möchte, um mit möglichst wenig Schulden zu investieren, hat bis dahin viel mehr Steuern gezahlt als der, der sich massiv verschuldet und damit nicht nur für sich, sondern auch für seine Arbeiter, seine Lieferanten und letztlich die Gesellschaft ein viel höheres Risiko eingeht.
Bei vielen Handwerkern und Selbstständigen ist die Immobilie keine Luxusvilla, sondern die Werkstatt, die Mühle, die Bäckerei oder bei Familientraditionsbetrieben auch das Gasthaus oder Hotel. Bei den heutigen Preisen ist es keine Kunst, mit einer auch nur kleinen Geschäftsimmobilie Vermögensmillionär zu sein. Und doch kann das Hotel auf der Alb, der Gastronom in der Kleinstadt, der vom Onlinehandel bedrohte Facheinzelhändler, der Handwerker, der keine Facharbeiter und kein Material bekommt, der Kulturveranstalter nach zwei Coronajahren, der von Flurbereinigung oder Naturschutz-, Landschaftsschutz- oder Fauna-Flora-Habitat-Gebiet eingeschränkte Bauer finanziell ausgezehrt sein oder schon jahrelang Verluste machen. Der Doppelstockbus eines Busunternehmers im Schwarzwald, der schon zwanzig Mal Teilnehmer zu Corona-Demos nach Berlin gefahren hat, kostet neu über 600.000 Euro. Alle Kulturbusreisen, die er sonst veranstaltet hatte, waren zwei Jahre lang (Maske!) nicht möglich oder kostendeckend – die zwanzig Coronademofahrten bezahlen den teuren Bus nicht. In den energieintensiven Branchen wie Bäcker, Metzger, allgemein Lebensmittelhersteller (regionale Brauereien!) gibt es genug Vermögensmillionäre, deren Vermögen aber im Betrieb steckt, der durch die aktuellen Energiepreise in seiner Existenz massiv bedroht ist.
Solche Privatvermögen finanzieren also Arbeitsplätze. Schon 2014 steckten in jedem Arbeitsplatz in Handel, Gastgewerbe oder Verkehr ca. 125.000 Euro, im Baugewerbe immerhin 40.000 Euro, im produzierenden Gewerbe sogar über 300.000 Euro – in der Landwirtschaft war es vor 8 Jahren schon fast eine halbe Million.
Der Spiegel und der Bundespräsident unterscheiden nicht zwischen Vermögens- und Einkommensmillionären. Aber gerade angestellte oder freiberufliche Einkommensmillionäre bezahlen heute schon 42 Prozent Grenzsteuersatz, im Durchschnitt also ein Drittel oder mehr. Zwar war dieser Satz zu Kohls Zeiten noch höher, dafür betrug die Mehrwertsteuer, wenn ich vom verdienten und versteuerten Geld ein Auto oder Haus kaufte, nicht 19 Prozent wie heute, sondern bis 1983 nur 13 Prozent.
Sollte also der Selbstständige, der keine Staatspension bekommt und seine Altersversorgung selbst aufbauen muss, mehr Steuern bezahlen? Der das Wachstum seines Betriebes und damit den Aufbau von Arbeitsplätzen sicher und von Banken unabhängig vor allem aus selbst verdientem Geld finanzieren möchte? Welche volkswirtschaftliche Wertschöpfung bringen Arbeitsplätze, die der Staat mit Geld finanziert, das er den Bürgern abgenommen hat? Wie effizient oder innovativ sind diese Arbeitsplätze? Wer im Reutlinger Rathaus den Sitzungskalender des Gemeinderats auch für 2023 auf Papier zugeschickt bekommen hat und dann von Hand in seinen Kalender einpflegen darf, bekommt eine Ahnung davon, dass die Arbeit im Rathaus weder effizient noch innovativ organisiert wird. Und so Geld, das den Bürgern zwangsweise abgepresst wird, verschwendet wird – weil dem Oberbürgermeister und der Gemeinderatsmehrheit das offensichtlich egal ist. Einem Handwerksmeister oder Inhaber eines Handelsbetriebes wäre das nicht egal, weil er nach wenigen Jahren nicht mehr am Markt bestehen könnte.
Selbst die großen Aktiengesellschaften, auch wenn sie Aktionären gehören, die über die Welt verteilt sind, sind doch die industrielle Basis unseres Wohlstands. Weil sie in unserem Land stehen, weil sie uns oft sehr gut bezahlte Arbeitsplätze geben (dank der Gewinne und dank starker Gewerkschaften!), weil sie in unserem Land sehr viele Steuern bezahlen. Wenn BASF dann (nicht nur) wegen der Gaspreise einen massiven Stellenabbau in Ludwigshafen ankündigt, hat das direkte Auswirkungen auf die soziale, kulturelle und bildungspolitische Leistungskraft von Ludwigshafen, Rheinland-Pfalz und Deutschland.
„Die“ Wirtschaft, Unternehmen, Unternehmer sind keine Gegner. Anfang der 70er-Jahre wollte die SPD die „Belastbarkeit der Wirtschaft“ testen. Ob wir uns das heute leisten können und wollen? Was ist uns unsere Wirtschaft als Wohlstands- und Steuermotor wert? Der Anschlag auf Nordstream 1 und 2 zeigt uns, wie gefährdet dieser Wohlstand auch von außen ist, dass Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung kein „Naturgesetz“ sind, wie v. a. linke Kreise in den 70er-Jahren nach 20 Jahren Wirtschaftswunder dachten.
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