Perspektivwechsel
Hallo, ich bin ein Fußball. Mit mir haben die Menschen viel Spaß und Freude. Ballspiele gibt es bei den Menschen schon seit über 2.000 Jahren, aber ich werde dabei nach bestimmten Regeln nur mit dem Fuß getreten. Sie schießen mich, mal mehr oder weniger zielsicher, über einen Rasen und lernen dabei, immer geschickter mit mir umzugehen.
Ich bin gut geeignet, den Menschen zu zeigen, wie viel Lust und Freude Bewegung machen kann und wie man dadurch immer besser lernt, mit seinem Körper umzugehen. Da der Mensch ein soziales Wesen ist, hat er Freude daran, in einer Gemeinschaft mit mir zu spielen. Manche einfach so, andere mit Regeln und festen Mannschaften, aber immer mit viel Freude am Spiel und am Miteinander. Das gilt sowohl für die Spieler als auch die Zuschauer, welche die Künste der Spieler bewundern. Und weil ich und das Spiel, das man mit mir macht, so beliebt sind, spielt es in unserer Gesellschaft eine große Rolle. Durch die Auswahl von besonders talentierten Spielern werden besonders gute Mannschaften geformt, die dann in riesigen Stadien vor bis zu 100.000 Zuschauern das Fußballspiel zelebrieren.
Das hat dann aber vielfach nichts mehr mit der ursprünglichen Form des Fußballspielens zu tun, bei der es um Spiel und Spaß ging. Vielmehr ist daraus ein bitterernster Wettkampf geworden, bei dem es inzwischen um sehr viel Geld geht. Das Spiel mit mir hat sich zur bloßen Unterhaltung und damit auch zu einem lukrativen Geschäft entwickelt. Spitzenfußballspieler sind heute keine normalen Menschen mehr, sondern Ikonen und werden teilweise geradezu wie Götter verehrt. Das ganze Thema Fußball ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr kommerzialisiert worden. Sind in den 70er-Jahren Spieler wie Beckenbauer oder Müller noch mit Mittelklasseautos herumgefahren, geht es heute unter einem Porsche- oder Ferrari-Spitzenmodell kaum noch. Die Gehälter der Spieler sind exorbitant gestiegen, so wie auch die Gewinne mit dem Fußballspiel. Alleine die Vermarktungsrechte, die Senderechte, das Merchandising, die Werbeverträge und, und, und …
Mit Fußball kann man heute Milliardenumsätze erzielen. Die Spieler sind in gewisser Hinsicht Gladiatoren der Neuzeit. Wenn sie nicht mehr funktionieren, geraten sie auf die Müllhalde der Geschichte. Fußball als Konsumartikel, das betrifft auch die Spieler. Bei großen internationalen Fußballturnieren, wie z. B. Weltmeisterschaften, fließt besonders viel Geld, da diese für die Gastgeber zu einem großen Wirtschaftsfaktor geworden sind. Um das Veranstaltungsrecht für eine Weltmeisterschaft zu bekommen, gehen dann schon einmal hohe Bestechungsgelder an die Entscheider, wie bei der aktuellen Weltmeisterschaft im Jahr 2022. Um noch mehr Geld zu verdienen, wurden die Stadien unter schlechtesten Arbeitsbedingungen gebaut, wobei die beschäftigten Arbeiter wie Sklaven behandelt wurden. Während der Bauarbeiten in Qatar sind über 1.000 dieser Arbeiter gestorben. „But the show must go on“!
Als Fußball fühle ich mich von solchen Wettbewerben nur noch benutzt und fast wie vergewaltigt, wenn mit mir immer mehr Geld verdient werden soll. Hier geht es kaum mehr um Spaß und Freude am Fußballspielen. Mein Lieblingsort ist immer noch der einfache Bolzplatz, auf dem vor allem Kinder und Jugendliche ihren Spaß mit mir haben und ihren Ausgleich zur stupiden Hockerei in der Schule finden. Denn Bewegung ist gut für Körper und Geist, während bloßer Konsum diesen Geist nur vernebelt.
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