Versammlungsverbote und Maskenzwang in der Reutlinger Innenstadt um Weihnachten 2021
Damit schaffte Reutlingen es ins Fernsehen: Am 18.12.2021 waren 700 Beamte, zwei Wasserwerfer, eine Reiterstaffel, Hunde und Drohnen aufgefahren worden, um den Protest der Bürger gegen die Corona-Maßnahmen zu unterdrücken. Über 500 Demonstranten wurden von der Polizei eingekesselt, über 500 Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden eröffnet, von denen viele mit jeweils unterschiedlichem Ausgang beim Amtsgericht Reutlingen landeten. Diese martialische Machtdemonstration der Polizei hatte ein Nachspiel: Ein der Internetseite reitschuster.de zugespieltes Besprechungsprotokoll berichtet (zum Artikel), dass dieser Polizeiaufmarsch zu einer Unterdeckung der Sicherheitskräfte im Rest des Landes geführt hat. Um es also den Corona-Demonstranten in Reutlingen mal so richtig zu zeigen, wurde ein Sicherheitsdefizit im Rest des Landes in Kauf genommen – was ein Polizeioffizier in einer internen Besprechung erwähnte. Diese Blamage fand ihren krönenden Abschluss in einer Landtagsanfrage, in deren Beantwortung die Regierung die Echtheit dieses Protokolls bestätigen musste (Zum Dokument). Eine sehr unschöne Szene, wie mehrere Polizisten einen Demonstranten zu Boden drücken, ist bei YouTube noch zu sehen (Zum Video). Es war eine dreckige Machtdemonstration um ihrer selbst willen. Leider wird es für die beteiligten Polizisten und ihre Vorgesetzten keine Gerechtigkeit geben, sonst müssten sie nämlich ins Gefängnis oder würden unehrenhaft aus dem Dienst entlassen.
Der 18.12.2021 war nur der Höhepunkt der Repression und Willkür. Auch über Weihnachten und Silvester mussten viele Beamte Dienst schieben, so wurde am ersten Weihnachtsfeiertag ein großes Polizeiaufgebot aufgefahren, um die Innenstadt von Reutlingen zu „schützen“. Der AfD-Stadtrat Schrade bekam zuerst einen Platzverweis, weil er mit einer Kerze in der Hand in Begleitung seiner Frau und eines weiteren Bekannten über den Marktplatz spazierte, später am MediaMarkt wurde daraus eine Anzeige – wegen einer Kerze in der Hand, ohne Schilder o. Ä., einfach so beim Spaziergang.
Grundlage der Polizeieinsätze waren sogenannte „Allgemeinverfügungen“ des Landratsamts und der Reutlinger Stadtverwaltung. Darin waren Versammlungsverbote und ein Maskenzwang für die Innenstadt verfügt. Die Ämter schämten sich nicht, den Maskenzwang nur von 16 bis 23 Uhr unter der Woche und am Wochenende von 10 bis 23 Uhr zu verordnen. So hätte der wahre Sinn dieser Allgemeinverfügungen eigentlich jedem klar werden müssen, nämlich weitere Demonstrationen gegen den Raub der Freiheit der Bürger und den Raub der Würde durch das Maskentragen zu verhindern.
Diese Allgemeinverfügungen waren für Oberbürgermeister und Landrat nicht zwingend. Nur in wenigen Städten gab es solche Allgemeinverfügungen mit Versammlungsverboten. Aus Offenburg wurde ein Brief des OB bekannt, der sich in sehr moderatem Ton gegen solche Versammlungsverbote aussprach, weil die Spaziergänge „friedlich verlaufen und die Vorgaben der Corona-Verordnung ... zwar nicht in vollem Umfang, aber doch im Wesentlichen eingehalten worden“ seien.
Es war also die Lust an der Eskalation, die Lust an der Machtdemonstration und der Widerwille von OB Keck und Landrat Dr. Fiedler zur Sachdiskussion, diese Allgemeinverfügungen zu erlassen. So wurde im „Hauptorgan“ der Stadt, dem Gemeinderat, bisher jede Diskussion darüber seit Beginn der Pandemie bis heute unterdrückt – der Oberbürgermeister ist der Herr der Tagesordnung.
Deshalb hat der nämliche Stadtrat Schrade, der auf den 150 Euro für den Kerzen-Spaziergang samt Gerichtsgebühren sitzen geblieben ist, mit OB Keck noch eine Rechnung offen – wie die meisten der über 500 Eingekesselten vom 18.12.2021. Erst jetzt kam nämlich ans Licht, dass es nie eine wissenschaftliche Grundlage für einen Maskenzwang im Freien und implizit damit auch nicht für Versammlungsverbote gegeben hat. Cochrane Library ist keine Bibliothek, wie man annehmen könnte, sondern ein Wissenschaftler-Netzwerk im Bereich Medizin. Dort wurde jetzt eine Metastudie veröffentlicht, die 80 Studien zum Thema Masken zusammenfasst. Eine frisch studierte Jungärztin bestätigt mit Kopfnicken, was T-online schreibt (Zum Artikel): Arbeiten in der Cochrane Library gelten in der medizinischen Forschung als Goldstandard. Freundlicherweise gibt es bei Cochrane sogar eine deutsche Zusammenfassung (Zur Studie). Die zentralen Sätze darin: „Verglichen mit dem Tragen keiner Maske, macht das Tragen einer Maske in der Allgemeinbevölkerung möglicherweise nur einen geringen oder gar keinen Unterschied in Bezug auf die Anzahl der Personen, die sich eine grippeähnliche Erkrankung/COVID‐ähnliche Erkrankung zuziehen ..., und macht wahrscheinlich nur einen geringen oder gar keinen Unterschied in Bezug auf die Anzahl der Personen, bei denen eine Grippe/COVID‐Erkrankung durch einen Labortest bestätigt wurde.“
Auch für FFP2-Masken gab es nie eine Rechtfertigung:
„Verglichen mit dem Tragen von medizinischen oder chirurgischen Masken macht das Tragen von N95/P2‐Atemschutzmasken wahrscheinlich nur einen geringen oder gar keinen Unterschied bei der Zahl der bestätigten Grippeerkrankungen ... und möglicherweise auch nur einen geringen oder gar keinen Unterschied bei der Zahl der grippeähnlichen Erkrankungen … oder Atemwegserkrankungen.“
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse hat Schrade jetzt eine Anfrage an den OB gerichtet. Darin fragt er nach den wissenschaftlichen Grundlagen und der Zahl der verhängten Bußgelder. Aus seiner Meinung über die Erlasse von OB und Landrat macht er dabei kein Geheimnis: „Die Arroganz der Macht, die aus dieser Allgemeinverfügung sprach, fand ihren Höhepunkt in der Beleidigung des gesunden Menschenverstandes darin, dass die Maskenpflicht unter der Woche nur von 16 bis 23 Uhr und am Wochenende und an Feiertagen von 10 bis 23 Uhr galt. Davor und danach war der oder das Virus also weniger gefährlich? Möchten Sie uns das noch erklären? Gar wissenschaftlich-faktenbasiert?“
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